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AutorenbildIna Trouet

Warum du das Vergleichen in der Recovery sein lassen solltest.

Aktualisiert: 1. Juli 2020

Sich zu vergleichen, ist ungesund. Immer. Deshalb fällt es mir auch unglaublich schwer, mich in sozialen Netzwerken zu bewegen. Denn dort werde ich mit Bildern konfrontiert, die mich sofort darüber nachdenken lassen, ob das, was ich habe, gut genug ist. Meist jedoch komme ich schnell zu dem Schluss, dass ich "zu selten wegfahre, zu unstylish herumlaufe, zu wenig aus meinem Leben gemacht habe" und so weiter und so fort. Schade eigentlich, schließlich bin ich Ina und nicht sonstwer und entsprechend sollte ich doch auch mein Leben leben und nicht das der anderen. Natürlich ist es sinnvoll, nach rechts und links zu schauen, aber doch nur, um offen zu bleiben und zu sehen, was sich sonst so in der Welt tut – nicht, um sich zu vergleichen. Tue ich es doch, bleibt fast immer ein ungutes Gefühl. Der Gedanke "Ich bin nicht gut genug" manifestiert sich.


Ich wage zu behaupten, dass genau dieser Gedanke aber Schuld daran ist, dass du essgestört bist. Die Essstörung ist dein Ventil, sie hilft dir dabei, dich davon abzulenken, dass du in deinen Augen ungenügend bist. Mit ihr konzentrierst du dich darauf, wie viel du wiegst, was du isst und was du nicht essen darfst. Alles andere wird zum Nebenkriegsschauplatz. Möchtest du deine Essstörung also loswerden, musst du anfangen, dich selbst in den Mittelpunkt zu stellen – um endlich herauszufinden, was du brauchst, um dich selbst so annehmen zu können, dass du zufrieden mit dir bist.


Aus eigener Erfahrung weiß ich nämlich, dass es nichts bringt, sich selbst davon überzeugen zu wollen, dass man doch eigentlich gut genug ist, genau so, wie man ist. Die Stimmen der Vergangenheit sind viel zu laut. Als innere Kritiker schreien sie dir sofort genau die Sätze entgegen, die du schon so gut kennst und die dich sofort wieder zum Wanken bringen. Der einzige Weg, sie zum Schweigen zu bringen: sie in ihre Schranken weisen. Aber wie?



Durch:


1. positive Affirmationen

wie z. B.


Ich bin es wert.


Ich vertraue mir.


Ich weiß, was mir gut tut.


Hängst du dir solche Sätze an den Badezimmerspiegel, liest du sie immer und immer wieder, ohne Stress, ohne Druck. Das Besondere: Diese Statements fordern dich nicht zu etwas auf, was die inneren Kritiker gleich wieder schlecht reden können. Sie beinhalten kein "Ich muss, ich sollte, ich werde", sie behaupten einfach, dass es so ist. Je öfter dein Unterbewusstsein also diesen "Status Quo" zu Ohren bekommt, desto mehr wird es davon überzeugt, dass es sich um die Wahrheit handelt. Und wir wissen alle, wie mächtig das Unterbewusstsein ist. Haben wir es überzeugt, haben wir gewonnen. Ja, es kann Monate oder gar Jahre dauern. Na und? Immer noch besser als ein Leben und Sterben mit Essstörung, oder?


2. das "Ja" zu allen Impulsen


Wie fühlt es sich an, auf Klo zu müssen? Welche Gedanken kommen dir? Und? Richtig! Du fühlst es nicht wirklich und du denkst auch nicht wirklich darüber nach. Du tust es einfach. Irgendetwas lässt dich aufstehen und den Weg zum Badezimmer einschlagen. Was genau das ist, ist gar nicht so leicht zu benennen. Es ist ein kurzer Impuls, dem du folgst. Mehr nicht. Und trotzdem klappt das Pinkeln und Weiteres seit frühester Kindheit. Einfach so. Jetzt stell' dir kurz vor, es gäbe eine Pinkelstörung. Was glaubst du, was deine Gedanken und Gefühle anrichten könnten? Nicht auszudenken.


Du siehst, worauf ich hinauswill. Beim Essen ist es ähnlich. Es sind kurze Impulse, die signalisieren, dass es an der Zeit ist, etwas zu sich zu nehmen. Denkt Mensch zu viel darüber nach, wird diese Balance gestört – essgestört. In deinem Fall heißt das womöglich sogar: Jeder Gedanke, jedes Gefühl ist Teil deiner Essstörung. Sie alle sind kontraproduktiv in der Recovery. Sich dann mit Gedanken und Gefühlen dagegenzustellen, ist auf Dauer so anstrengend, dass die Sache zum Scheitern verurteilt ist. Sicherlich kennst du schon solche Zwiegespräche: "Ich muss essen, ich muss gesund werden. Ich schaffe das. Ich schaffe das. Scheiße, ich schaffe das nicht. Ich kann das nicht. Wie soll das denn gehen? Was, wenn ich am Ende 100 Kilo wiege? Nein, nein, neeeeeein!!!" Vom gesunden Menschenverstand zum gestörten und wieder zurück. Wie soll man da als Sieger herausgehen?


Deshalb ist es so wichtig, einfach darauf zu hören, was in dir drin passiert. Kommt ein Impuls, folge ihm. Kommt keiner, horche weiter in dich hinein. Und das meine ich nicht nur in puncto Essen. Grenze dich auf Gefühlsebene vollumfänglich von der Außenwelt ab und konzentriere dich darauf, worauf DU Lust hast, was DU möchtest, was DIR gut tut, was DU schaffen kannst. Ist es eine warme Dusche, obwohl du heute schon zweimal duschen warst? Zwanzig Minuten Hinzustarren in den Regen ohne auch nur einen Hauch von Produktivität zu leben? Ist es ein Nickerchen, obwohl du noch so viel zu tun hast?


Folge deinen Impulsen, sie zeigen dir, was du brauchst – und schlussendlich, wer du bist. Hier kommen wir zu dem wichtigsten Punkt, Punkt


3. das Nicht-Vergleichen


Nur du weißt, wie du es schaffst, gesund zu werden. Dieses Wissen liegt tief in dir verborgen. Niemand außer dir kennt es, niemand außer dir hat den Zugang zu dieser Weisheit. Deshalb ist es auch unumgänglich, dass du komplett bei dir bleibst auf dem Weg deiner Genesung. Ja, es ist tatsächlich egal, wie es Hinz und Kunz geschafft haben, gesund zu werden. Sie mussten ihre Wege gehen, gehe du den deinen.


Keine Kalorienangabe, kein Mahlzeitenplan dieser Welt helfen dir dabei, die Recovery zu überstehen. Ich zum Beispiel habe über Monate hinweg kaum bis kein Obst oder Gemüse essen können. Mein Körper hatte sich komplett dagegen gewehrt, mein Griff ging ganz automatisch zu Keksen, Schokolade und Kuchen. Ich musste all' das (in Massen) essen, was ich mir über die vielen Jahre hinweg verboten und was ich mir nur während den Essanfällen gegönnt hatte. Das war keine Entscheidung. Es war ein Impuls – dem ich nur zu gerne gefolgt bin. Dein Impuls ist vielleicht ein völlig anderer. Sei einfach offen und vor allem: Sei davon überzeugt, dass deine Impulse dein Weg zurück in ein gesundes Leben sind. Ganz bewusst gebe ich dir jetzt keine Beispiele, wie das aussehen kann. Setz' dich nicht unter Druck, lerne stattdessen, dich erst zu nehmen.


Dazu zählt übrigens auch, dass gut gemeinte Ratschläge von Menschen, die uns lieben oder nahestehen sowie von Menschen, die glauben, es zu wissen, leider viel zu oft nicht zielführend sind. Denn meist beinhalten diese Ratschläge ein "Du musst doch einfach nur ... du musst, du musst, du musst". Selbst ich blockiere alleine beim Schreiben dieses Wortes, das so viel kaputt macht und sicherlich nicht dabei hilft, endlich etwas an diesem über so viele Jahre hinweg erlernten Verhalten zu ändern.



Ja, ich würde dir wirklich gerne einen Plan an die Hand geben, mit dem deine Recovery zu hundert Prozent funktioniert. Ich würde dir gerne sagen, dass du Dies und Sell und Jenes zu genau diesen Uhrzeiten essen musst und dann alles nur noch eine Frage der Zeit ist. Ich würde dir gerne erzählen, dass ich in meiner Recovery nur XY Kilo zugenommen und diese am Ende mit einem gesunden Essverhalten wieder abgenommen habe und dass das bei dir ganz genau so sein wird. Ich würde mir wünschen, dir mitzuteilen, dass in XY Monaten alles vorbei ist und du es endlich geschafft hast, weil es bei mir so war. Aber wir wissen beide, dass das nicht geht. Wir wissen beide, dass du einzigartig und etwas ganz Besonderes bist. Dass nur du dir selbst helfen kannst, weil nur du weißt, was du brauchst, um gesund zu werden.


Bleib' also bei dir. Immer, auf jeder Ebene, in jedem Kontext. Du bist es wert. Und dann, irgendwann, wirst du essen. Weil du soweit bist.


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