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Was und wie viel essen während und nach der Recovery?

Aktualisiert: 30. Juni 2021

Die Recovery zu starten (und ich meine WIRKLICH zu starten, ohne jegliche Restriktion und völlig unsymptomatisch) ist eine enorme physische und psychische Belastung. Da du noch niemals vorher einen solchen Schritt gegangen bist und ebendieser auch nicht von Therapeuten angepriesen wird, ist es völlig normal, dass du dich alleine fühlst und Panik davor hast, etwas "falsch" zu machen.


Hier eine Mail von einer Leidensgenossin, die genau das bestätigt:


Liebe Ina,


Ich hoffe es geht dir gut. Bitte stresse dich nicht, mir antworten zu müssen, du musst diese Mail nicht einmal lesen, es tut mir nur einfach so gut, jemandem, der mich versteht, offen meine Gedanken mitzuteilen! Wie du vielleicht weißt, bin ich nun in meiner 3. Woche Recovery und ich habe es tatsächlich seit Montag, als ich dir das letzte mal geschrieben habe, wieder geschafft, loszulassen. Und zwar diesmal komplett.


Ich nehme seit Beginn meiner Recovery ein Videotagebuch auf, und ich muss mir selbst eingestehen, dass ich in den ersten zwei Wochen zwar viel gegessen habe, aber wenn ich die Videos jetzt ansehe, merke ich, dass mich hier immer noch ein miminaler Teil meiner Essstörung zurückgehalten hat.


Das hat sich seit Montag geändert und seitdem befinde ich mich in einem durchgehenden Essanfall. Wir haben jetzt gerade einmal 15 Uhr und ich liege (grob überschlagen) schon bei sicherlich 4.000 Kalorien. Es ist so wahnsinnig anstrengend, vorhin hatte ich einen totalen emotionalen Tiefpunkt, ich habe nur noch geweint, geweint, geweint. Es fühlt sich so schlimm an, den ganzen Tag nur Nutella, Brot, Butter oder Gummibärchen zu essen. Und es geht immer so weiter ...


Jetzt spüre ich, dass das jetzt eigentlich erst der richtige Startschuss für meine Recovery ist und die ersten zwei Wochen nur ein kleiner Vorgeschmack waren. Wobei ich hoffe, dass diese nicht völlig umsonst waren, sondern auch in meinen Genesungsprozess mit reinspielen ...


Nun liege ich im Bett und bin einfach fix und fertig. So viele Gedanken im Kopf "Wann hört es auf? Merke ich es wirklich, wenn mein Körper genug hat? Vielleicht rutsche ich doch ins Binge-Eating?" und so weiter und so fort. Ich glaube, die Recovery ist – jetzt wo ich sie wirklich zu 100 % zulasse – das anstrengendste, was ich je gemacht habe. Da waren meine drei Klinikaufenthalte ein Kinderspiel dagegen. Ich versuche mir so sehr einzureden "ICH KANN MEINEM KÖRPER VERTRAUEN" und zeitgleich fühlt es sich soooo falsch an, diese Unmengen an Süßigkeiten zu essen! Ich bin nonstop am googeln, um nachzulesen wie viel andere Frauen in dieser Phase gegessen haben, aber das macht mich nur noch verrückter.


Ich hoffe so sehr das es sich auszahlt!


Daraufhin hatte ich ihr gratuliert. Ich hatte ihr geschrieben, dass genau das die richtige Recovery ist. Dass genau dieses Gefühl das ist, von dem ich geschrieben habe: sterben zu müssen. Genau so wie ihr ging es mir auch. Und der ganz Spuk war nach wenigen Wochen passé. Ich hatte ihr noch den Tipp gegeben, sich bei jedem Bissen zu freuen, zu lächeln und zu denken: „Yesss, du liebes Zuckerstück, ich darf dich jetzt essen. Immer und überall. Yesss, yesss, yesss!!! Jackpot. Endlich hat das Leid und die Restriktion ein Ende!!!"

Was diese junge Frau daraufhin interessierte, war, wie genau sich der Switch von "Mehr Zucker" zu "Ich esse jetzt auch wieder Obst und Gemüse" angekündigt hatte. Wie ich gespürt hatte, was ich brauche, wie lange diese Phasen gedauert haben und was ich dafür getan hatte, um wieder in ein völlig normales Essverhalten übergehen zu können. Hierzu habe ich ein Video gemacht. Schau' es dir an. Ich hoffe, es wird dir helfen.


Solltest du Fragen oder Anregungen haben, dann nutze furchtbar gerne die Kommentarfunktion. Ich glaube nämlich ganz fest daran, dass ihr euch gegenseitig unterstützt, wenn ihr euch zeigt. Und wenn ihr so auch von anderen lesen und sehen könnt, dass ihr nicht alleine seid und dass es da draußen Menschen gibt, denen es ganz genau so geht wie euch. (Aus diesem Grund habe ich euch auch die Mail mit in diesen Beitrag gepackt. Diese Worte hätte ich vor dreieinhalb Jahren schreiben können ... und ich bin mir sicher, dass sie in so vielen anderen Köpfen herumspuken.)


Lass' uns gemeinsam gesund werden – und sein.


Alles Liebe, deine Ina





5 opmerkingen


Ma Ry
Ma Ry
29 mrt. 2022

Das kenne ich auch, also, dass ich sogar darauf lauere, wann wieder die Lust auf Schokolade kommt, weil sie momentan täglich da ist. Ich habe dann Angst, dass ich eigentlich keine Lust auf schoki habe aber durch das Warten darauf, meinen Appetit hervor rufe... das ist glaub ich auch Wirrwarr gewesen jetzt:p

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Ina Trouet
Ina Trouet
31 mrt. 2022
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Nein, kein Wirrwarr, das sind die typischen "zu vielen" Gedanken, die man sich in der Recovery macht, aus Angst, irgendetwas falsch zu machen. Du kannst aber nichts falsch machen, als die Recovery wiederum zu einer Essstörung zu machen, indem du dir einfach viel zu viele Gedanken machst und quasi eine Doktorarbeit schreibst, obwohl du ja "einfach nur" essen sollst. Deine Sättigung, wenn sie dann kommt, ist so dermaßen klar und deutlich, dass du keine Angst haben musst, sie überhören zu können. Das heißt in Bezug auf deine Frage: So lange du noch Schokolade essen möchtest, möchte dein Körper sie auch, selbst wenn du den "Appetit hervorgerufen" hast, so wie du es genannt hast. Also: Alles gut!

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Katharina H
Katharina H
09 mrt. 2022

Hallo liebe Ina, Ich stecke aktuell in der quasi recovery fest und ich glaube das hat zwei Gründe: A) dadurch dass ich schon seit einigen Monaten mehr esse und mir mehr erlaube, habe ich natürlich auch schon zugenommen und befinde mich mit Sicherheit im Normalgewicht. Nun hält mich vom endgültigen Loslassen ab, dass ich Angst habe noch viel mehr zuzunehmen, als ich es getan hätte, wenn ich sofort bedingungslos gegessen hätte. Meine Essstörung sagt mir: „wenn du so weiter machst, also „normal bzw sogar mehr als andere“ isst, nimmst du noch etwas zu und dein Körper vertraut dir wieder, weil du ja auch nicht wieder restriktiv wirst“. Sozusagen: auf lange Sicht kommst du so auch ans Ziel. Ich befürchte das ist ein…

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Katharina H
Katharina H
11 mrt. 2022
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Danke Ina! Was mir heut noch eingefallen ist in Bezug auf „nicht wissen was man essen soll“: Oft ist es so, dass ich schon während ich esse darüber nachdenke, ob ich wohl gleich noch etwas anderes will, ob ich noch Hunger haben werde und was ich dann will. So wie eine Art zwang, dass ich immer wieder in mich hineinspüren muss, ob es jetzt reicht oder nicht. Und dann bin ich satt und habe auch eigentlich keine Gelüste mehr, aber in meinem Kopf rattert es nur „ob das denn nun auch stimmt“? Ich verkompliziere das vermutlich total, denn auch wenn ich dann später auf der Couch sitze oder so, drängen sich wieder Gedanken ans Essen auf ohne wirklich Lust oder Hunger. Manchmal auch in…

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