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Ab jetzt zu zweit: Ina Freiheit vergrößert sich und sagt "Hallo, Steffi!"

Ihr lieben Kämpfer*innen,


ich freue mich sehr, euch heute eine ganz besondere Nachricht schreiben zu dürfen (auch wenn ich gerade das Gefühl habe, dass ich viele meiner Blogbeiträge so starte ...). Denn heute teile ich euch mit, dass Ina Freiheit ab sofort mit doppelt geballter Frauskraft in den Ring steigt. Das Ziel: mehr Inhalte liefern, mehr Wissen transportieren, mehr Menschen erreichen – und schlussendlich diese zum Scheitern verurteilte Therapiewelt revolutionieren.


Hierfür habe ich mir die liebe Steffi an die Seite gelacht. Viele von euch kennen sie schon: Ich hatte mit ihr ein Interview gedreht, das (... ihr hier findet, falls ihr es noch nicht kennen solltet ...) viele betroffene Frauen und Männer angesprochen hat, die sich mit Steffis Geschichte identifizieren konnten – und gesehen haben, das dieser Weg tatsächlich funktioniert.


Kennengelernt hatten Steffi und ich uns über meinen Blog zu Beginn ihrer Recovery im späten Frühjahr 2021. Als dann nach vielen Monaten klar war, dass sie es geschafft hatte, meldete sie sich wieder bei mir, um "Danke" zu sagen. Ich freute mich so sehr und spürte, wie sehr es ihr auf der Seele brannte, ihre Erfahrungen zu teilen und der Welt zu sagen, dass es einen wahrhaftigen Weg raus aus der Essstörung gibt – und sie ihn mit meinen Beiträgen gegangen war. Nach einigem Hin- und Herüberlegen, ob ich mein Baby wirklich teilen möchte, entschied ich: Es geht um die Sache! Es geht darum, etwas zu erreichen und Menschen zu heilen. Und das funktioniert so viel besser, wenn man nicht alleine ist!


So kam es, dass Steffi und ich mehrmals stundenlang telefonierten und dann irgendwann gemeinsam beschlossen, Ina Freiheit wachsen zu lassen. Voilà. Hier sind wir. Und hier kämpfen wir dafür, dass ihr alle, die ihr einst den Begriff "Extremhunger" aus guten Gründen gegoogelt habt, ankommen könnt.


Wie das in Zukunft aussehen soll und was wir als Team vorhaben? Ihr werdet es sehen und dürft euch freuen. Bis dahin lest euch doch einfach Steffi's Geschichte durch, die sie extra für euch aufgeschrieben hat.


Liebste Steffi, herzlich willkommen bei Ina Freiheit! So schön, dass du da bist!






Steffis Geschichte


Um es kurz zu machen:


Ich schreibe hier meine Geschichte. Es ist eine Geschichte wie viele andere auch, aber mir selbst hat jeder einzelne Erfahrungsbericht so sehr geholfen, dass ich hoffe, mit meiner Story auch irgendjemandem Mut machen zu können!


Vor ziemlich genau 26 Jahren und im Alter von 16 hatte ich eine folgenschwere Entscheidung getroffen: die Entscheidung, abzunehmen. Ohne dass diesbezüglich eine

Notwendigkeit bestanden hätte … Ich weiß nicht mehr genau, wann ich angefangen habe, meinen Körper nicht zu mögen, aber ich weiß, dass ich mich selber im gesamten noch nie wirklich mochte. Die psychologischen Hintergründe genauer zu erläutern wäre müßig und tut auch tatsächlich nichts zur Sache. Ich könnte jetzt erzählen, dass mein Vater krank gewesen war als meine zwei Jahre jüngere Schwester zur Welt kam und ich mich offenbar vernachlässig gefühlt haben muss. Ich könnte erzählen, dass ich daher immer das Gefühl hatte, weniger wert zu sein. Ich könnte erzählen, dass ich mich deswegen immer anderen unterlegen gefühlt habe. Dass ich verzweifelt gemocht werden wollte und dennoch nie gut genug war. Dass ich mich über meine Leistungen definiert habe und dachte, und dachte, dass wenn ich leiste, ich wertvoll bin. Ich könnte erzählen, dass der Junge, in den ich als Teenager verliebt war, meine beste Freundin vorgezogen hat. Dass ich mich selbsterklärend auch ihr gegenüber minderwertig gefühlt habe. Und so weiter … Es tut aber wie gesagt tatsächlich nichts zu Sache!


An diesem Tag vor 26 Jahren hatte ich mit eben jener besten Freundin beschlossen, dass wir

beide bis zum Monatsende 2 kg abnehmen wollen. Wie wir darauf gekommen sind, weiß ich nicht mehr, aber ich weiß noch, dass sie noch am selben Abend unsere Abmachung mit einer Packung Chips begraben hatte. Ich hingegen hatte von diesem Tag an alles dafür getan, verlieren. Von Diäten hatte ich keine Ahnung, aber mein logischer Menschenverstand hat mir gesagt, dass Süßigkeiten und Knabbereien mutmaßlich keine gute Idee sind. Also weg damit. Die ersten 2 kg waren schnell runter und nicht nur diese. Mit immer niedrigeren Zielen verlor ich innerhalb kurzer Zeit 12 kg und mit den Kilos das Verhältnis zu einer normalen intuitiven Ernährung.


Ich glaube, dass ich irgendwann auch gar nicht mehr weiter abnehmen wollte, aber

ich hatte schon sehr schnell eine unfassbar große Angst vorm Zunehmen entwickelt …

Meine Eltern hatten sofort Alarm geschlagen (ich hätte mir damals gewünscht, dass sie zur Sorte Verdränger-Eltern gehören und mich einfach in Ruhe lassen) und mich zu meiner ersten

ambulanten Therapie geschleppt … Es kam dann sehr schnell – ich glaube ich war ca. vier oder fünf Monate krank – zu meiner ersten Essattacke (surprise surprise) und dem Versuch zu erbrechen. Weil das aber damals noch nicht so richtig gut funktioniert hatte und ich auch zuhause nicht die Möglichkeit hatte, jederzeit die Kloschüssel zu umarmen, war mein Gewicht relativ schnell wieder gestiegen, zur allgemeinen Erleichterung meiner Umwelt. Allerdings nicht sehr lange …


Natürlich hatten meine Eltern herausgefunden, was ich so treibe und mich 1998, knapp zwei Jahre nach Beginn meiner Erkrankung, in eine stationäre Behandlung gesteckt. Ich kam dort an, bulimisch und normalgewichtig. Natürlich hatte ich dort dann mit normalen Portionen und fehlender Kompensation zugenommen, mein Körper musste ja schließlich erstmal vorsorgen und mein Stoffwechsel lag brach. Das wusste ich allerdings seinerzeit noch nicht … Und die in der Klinik offenbar auch nicht. Ich wurde dann nämlich auf Abnehmerportionen gesetzt, was aber erwartungsgemäß auch nicht viel geändert hatte.


Um es kurz zu machen: Ich wurde irgendwann entlassen und bin sofort rückfällig geworden.

Lange hatte es nicht gedauert und fast mein gesamter Tag bestand aus Fressen und Kotzen/

Abführmitteln/Entwässerungspillen. Dadurch hatte sich auch mein Gewicht wieder drastisch

reduziert. Wie ich trotzdem mein Abitur geschafft hatte und dann auch noch ein Studium ist mir nach wie vor ein Rätsel. Sicherlich gab es bessere und schlechtere Zeiten, wobei besser für mich schon war, nicht jeden Tag zu fressen und zu kotzen. Immer wenn sich große Dinge

geändert hatten, ich einen neuen Freund hatte oder aufregende Dinge passierten, gab es

durchaus Tage oder sogar Wochen, in denen ich keine Fressanfälle hatte. Die ganzen anderen essgestörten Verhaltensweisen hatte ich sehr erfolgreich vor mir selbst verleugnet.


Ich hatte zwischenzeitlich sogar eine ambulante Therapie gemacht, die mir durchaus einige

Erkenntnisse gebracht hatte, aber an meinem Verhalten unterm Strich NICHTS geändert hatte. Nach zwei Jahren Berufstätigkeit – ich war wieder in einem recht kritischen Gewichtsbereich angekommen – hatte mich dann mein Chef zur Seite genommen und mir mitgeteilt, dass er sich große Sorgen mache und mir, wenn ich das wollen würde, einen zeitnahen Gesprächstermin bei einem befreundeten Psychiater verschaffen könne. Ich hatte eingewilligt und fand mich nur ein paar Monate später erneut in einer Klinik wieder. Das war 2009.


Auch hier: Das selbe Spiel wie schon zuvor. Ich hatte gegessen, zugenommen, brav Therapie gemacht und trotzdem nichts verstanden und v. a. nicht geändert. Nach der Entlassung ging also alles von vorne los. Ich erinnere mich aber an ein Jahr, in dem ich tatsächlich nicht erbrochen hatte und demnach auch keine größeren Fressanfälle hatte (das war nämlich nur möglich mit der Option, alles wieder loszuwerden). Ich hatte meinem damaligen Freund versprochen, „brav“ zu sein… Was er allerdings nicht wusste und was ich tatsächlich auch verdrängt hatte war die Tatsache, dass ich weiterhin Abführmittel und Entwässerungspillen wie Bonbons gegessen hatte. Ich wollte das nicht sehen und hatte mir eingeredet, dass ich ja eigentlich gesund sei. Und dann kamen die Fressanfälle doch irgendwann zurück. Und zu allen bisher bestehenden Kompensationsmechanismen hatte ich dann zusätzlich noch einen Sportzwang entwickelt.


Das hatte im Prinzip recht harmlos angefangen mit ab und zu laufen gehen, über die Jahre wurde es zunehmend zwanghafter. Zum Schluß bin ich jeden Tag, ungeachtet irgendwelcher Umstände (Wind, Wetter, Uhrzeit, Urlaub,…) fünf bis zehn Kilometer laufen gegangen. Das zu unterlassen war für mich absolut unvorstellbar! Ich muss jedoch sagen, dass ich bezüglich der Pillenfutterei dann doch irgendwann Fortschritte gemacht hatte. Ich hatte zuerst die Entwässerungstabletten „abgesetzt“, also nur noch ab und zu ganz wenig genommen und dann auch die Abführsachen reduziert. Die Kontrolle ganz loszulassen war mir aber nie möglich gewesen. Wer kommt auch schon auf die Idee, dass der Körper so Sachen wie Urinausscheidung und Stuhlgang selber managen kann …


Ich hatte dann über die Jahre dann wieder ein paar Kilo zugenommen (vermutlich hauptsächlich das Wasser, das ich mir nicht mehr künstlich entzogen hatte) und war dann nur noch knapp im Untergewicht. So ab ca. 2017 hatte ich dann mehr oder weniger ernsthaft versucht, einen Weg aus der Essstörung zu finden bzw. vielmehr einen Weg, die Essanfälle loszuwerden und dabei auch noch idealerweise ein paar Kilo wieder abzunehmen. Ich hatte versucht, meine Nahrungsaufnahme irgendwie zu optimieren, dass mein Körper ideal versorgt ist und ich keine Essanfälle mehr brauche.


Eigentlich wurde ich da dann erst so richtig zwanghaft, was die Kontrolle anging. Sicherlich hatte ich schon immer so wenig und so gesund wie möglich gegessen, wenn ich es

nicht loswerden konnte, aber da hatte dieser Wahn dann nochmal eine ganz neue Dimension angenommen. Ich hatte penibel genau jedes Gramm abgewogen und in einer App getrackt, hatte auch meinen Verbrauch getrackt, die Makros optimiert, alles musste so clean wie möglich sein und ich war den ganzen Tag lang nur mit dem Thema Essen beschäftigt. Ich hatte sogar darüber nachgedacht, meine Darmflora oder meinen Stoffwechsel analysieren zu lassen.


Das Konzept des intuitiven Essens fand ich tatsächlich richtig gut: Essen was und wieviel ich will und dabei auch noch abnehmen! Aber wie sollte ich intuitiv essen, wenn ich weder Hunger noch Sättigung kannte und vor allem gar nicht bereit war, auf meine Intuition zu hören? Zwischendurch hatte ich mich auch mit Persönlichkeitsentwicklung, Selbstliebe und solchen Dingen beschäftigt, immer in der ehrlichen Hoffnung, dass ich nicht mehr fressen und kotzen will, wenn ich die perfekte Ernährung gefunden habe und mich selber endlich liebe.


Über den Begriff Extremhunger bin ich dann schon irgendwann mal gestolpert, aber das hatte ich ganz schnell von mir weggeschoben. Ich hatte mir sehr erfolgreich eingeredet, dass ich „ungesunde“ Sachen gar nicht mag! Und mich dann aber gewundert, warum ich immer wieder, also eigentlich fast jeden Abend, vor meiner heimlichen Kiste im Keller, in der alle Süßigkeiten gebunkert waren, landeete, mich vollstopfte und mich dann übergab. Ich hatte mich auch regelmäßig krank gemeldet, um ungestört den ganzen Tag mit Fressen und Kotzen verbringen zu können …


Ich weiß nicht mehr genau, was ich in die Google-Suche eingegeben hatte – ich glaube es war wieder einmal „Extremhunger“, ein Teil von mir hat vermutlich schon gewusst, dass ich da nicht drumrum kommen werde – und Google hatte mich zu Inas Blog geführt. Meine Rettung! Ich hatte zuerst den Beitrag über Extremhunger gelesen und dann alle anderen. Und dann nochmal von vorn. Ich war fasziniert von ihrer Geschichte und ihrem Weg aus der Essstörung und das klang alles so plausibel und logisch …


Und dann hatte ich erstmalig den Gedanken zugelassen, dass auch ich nur ein Mensch bin und mein Körper genauso funktioniert wie alle anderen. Dass ich nicht das Einhorn bin, bei dem alles anders ist. Und dass ich genau diesen Weg gehen muss, um endlich frei zu sein! Dass ich die Kontrolle loslassen und meinen Körper machen lassen muss. Dass ich mein untergewichtiges Ideal aufgeben muss, das war vermutlich das schwerste. Aber zu diesem Zeitpunkt war der Leidensdruck in meinem selbstgebauten Käfig so groß, dass ich alles getan hätte, um da rauszukommen. Ich wollte wieder leben! Mein Leben auch ERleben und nicht so abgestumpft und gefühllos daneben stehen.


Tja und dann bin ich gesprungen … Wie Ina immer so schön sagt: Es fühlt sich an, als müsse man sterben! Ich dachte wirklich immer, dass ich sterben würde, wenn ich eine bestimmte

Gewichtsgrenze überschreite! Ich habe sie überschritten … Ein kleiner Spoiler: Ich bin nicht

gestorben! Nein, ich bin jetzt hier und gesund und das ist das größte, was ich je gemacht und geschafft habe! Und ganz ehrlich – ohne Ina wäre ich nicht hier! Am 2.6.2022 feiere ich meinen 1. Geburtstag und kann es manchmal immer noch nicht fassen. Ich hatte seit meinem „Sprung“ nie wieder einen Fressanfall und zwar nicht deswegen, weil ich mich so gut unter Kontrolle habe, sondern weil ich meinem Körper jetzt IMMER das gebe, was er braucht!

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